Ein kleines Mädchen, (also ich, ich heisse übrigens Jolanta, hallo, hallo, hallo…).

Ein kleines Mädchen also, 6 oder 7 Jahre alt, mit wunderschönen dunklen Augen, stand jeden Morgen auf und hütete das Feuer. Sie hatte zwei Geschwister: Mattek den kleinen und Pattek den noch kleineren. Mutter und Vater gingen zur Arbeit in der Stadt. Sie alle wohnten in einem kleinen Haus, dessen Schornstein tagein- tagaus kleine Wolken ausspuckte. Über dem Feuer im Zimmer stand eine schwere Metallplatte mit einem

Loch. Das war der Herd, aus gegossenem Eisen.

Bevor die Mutter das Haus verliess, gab sie dem Mädchen immer eine Zwiebel, eine Rübe und eine kleine Kartoffel in die Schürze und sagte: Du hast schöne Augen, so schau nach dem Feuer, schau nach den Brüdern und koch eine Suppe… Denn so hatte es auch die Mutter von der Grossmutter, und die Grossmutter von der Urgrossmutter gehört: Du hast schöne Augen, so schau nach dem Feuer, schau nach den Brüdern und koch eine Suppe.

Nachdem die Mutter gegangen war, waren die Kinder alleine.Sie nahm eine lange Kordel und band das eine Ende an den Hosenbund von Mattek dem kleinen und das andere Ende knotete sie an die Wiege, in der Pattek der noch kleinere lag. Wenn Mattek dann umhersprang und spielte, wiegte er Pattek ruhig in den Schlaf und und die kleine Jolanta hatte ihre Ruhe und hütete das Feuer und kochte die Suppe… So erging es ihnen gut.

Eines Tages, als das kleine Mädchen gerade Mattek an Pattekgebunden hatte, setzte sie sich ans Fenster, um die Kartoffel zu schälen und eine Weile den Vögeln zuzusehen. Im Hof warmeine Pfütze, in der badeten gerade zwei Amseln, ein Habicht, eine Elster und zwei Spatzen, ein Kohlfink, ein Buchfink und eine Nachtigall und ein Uhu schaute zu. Das war sehr putzig anzusehen. Und als sie sich freute, fiel dem Mädchen die Kartoffel aus der Hand und hüpfte hinfort. Die Vögel kicherten und flogen auf und Jolanta wurde bang ums Herz. „Wie soll ich nach Mattek und Pattek schauen, nach dem Feuer schauen, wenn ich das Kartöffelchen hole,- und wie die Suppe kochen, wenn das Kartöffelchen fehlt?“ Fragte sie.

Die Habicht krächzte: „hüte das Feuer, wir holen dasmKnöllchen, wenn du uns von der Suppe gibst“. Und das Mädchen ging zurück ans Feuer. Gleich darauf flogen die Vögel durchs Fenster hinein, die zwischen den vielen flatternden Flügeln die kleine Kartoffel brachten… Die Vögel banden sich Servietten um und setzten sich artig an den Tisch. Doch nachdem die Suppe gekocht und ein wenig abgekühlt war, gab es ein Gezanke und Gezeter um die guteSuppe. Der letzte Löffel hatte schnell den Topf verlassen. Mattek und Pattek jammerten schrecklich: „Wir haben gegessen, sie haben gegessen, doch satt sind wir nicht!“ und Mattek tobte wild umher, rief immerzu „Wir! Wir! Wir! Wir haben Hunger!“ und Patteks Wiege wackelte heftig. Jolanta wusste sich nicht zu helfen und bat die zufriedenen Vögel, die gerade ein Nickerchen machen wollten, um Rat. Die Amseln antworteten müde: „Geh nur, geh nur zum Händler Siblicek, öffne dort ein Fenster, und wir stehlen dir eine Rübe!“.

Der Habicht sagte: „Ich hol die Kartoffel!“, die Elster sagte: „Und ich eine Zwiebel“, und der Uhu fügte hinzu: „Ich kann sowieso nicht schlafen, ich schau nach Mattek und Pattek!“ und schon schlossen alle anderen ihre Augen und schnarchten…

„Ich werde gehen“, sagte das Mädchen leise, schob das Feuer zusammen und stieg in ihre Pantoffeln. Auf dem Weg zum Händler kam sie an einer Gruppe Bauern vorbei die bei einer blinden alten Frau standen, die aus einem Eimer Dung die Zukunft vorraussagte. Dabei wackelte sie wild mit ihrem grossen Busen umher und sprang immer wieder über den Eimer. Als Jolanta vorbeilief schleuderte ihr bei einem waghalsigen Sprung über den Eimer ein Holzpantoffel vom Fuss und fiel direkt vor Jolanta in den Matsch. Die alte Frau landete und rief Jolanta zu: „Bring mir sofort meine Pantoffel, Kind, und ich verrat dir dein Schicksal!“ Jolanta hob den Schuh auf und klopfte den Dreck ab. Als sie

ihn der Alten reichte, griff diese nach ihrem Arm und kreischte: „Ich kann nur soviel sagen: geh schnell nachhause Kind, und wasch dir deine Augen, denn sie sind schwarz, pechschwarz“, und alle Bauern lachten laut.

Doch Jolanta ging nicht schnell nachhause, sie ging zum Händler Siblicek, um ein Fenster zu öffnen, wie es die Vögel gesagt hatten. An der Hütte des Händlers angekommen, klopfte sie an die Tür, und der machte auf. Er sagte: „Wir haben nichts, nur bisschen Mehl und bisschen Milch und noch ein Ei,- doch das hat ein Loch, da tropfts heraus“. Jolanta wusste kaum was zu sagen, sie dachte an einen Pfannkuchen, und dann an eine Pirogge. Schliesslich sagte sie: „Ich will mich nur kurz setzen, um meine Füsse auszuruhen, die Pantoffeln drücken.“

Das war eine List. Jolanta zog die Pantoffeln aus, Siblicek ging in seine Stube und das Mädchen öffnete geschwind das Fenster eine Handbreit. Auf dem Heimweg kam sie wieder bei der alten vorbei, die gerade vor ihrem Eimer Dung saß und das Geld und das Gemüse sortierte, das die Bauern ihr für ihre wilden Sprünge und ihre Wahrsagerei gegeben hatten. Sie erkannte Jolanta an ihren Schritten und rief ihr zu: „Mädchen mit den schwarzen Augen, komm rüber, ich sage dir noch was!“ und Jolanta ging etwas ängstlich zu ihr. Die alte Frau ließ das sortieren sein und stellte sich breit vor sie,indem sie ihre Arme in die Hüfte stemmte.

Sie sagte: „Bist nicht nachhause, wie ich‘s dir gesagt habe. Bist Umherspaziert und hast Schabernack getrieben? Na gut, ich sag dir was: Ein Blinder kann gut hören, ein Tauber kann gut sehen. Aber einer, der nicht schmecken kann, kocht keine gute Suppe!“ Sie machte eine Pause und sagte dann: „Wenn du gleich zuhause bist, lüfte die Stube, feg den Boden, putze dir diePantoffeln und,-“ und sie machte wieder eine Pause und kreischte dann: „wasch dir deine Augen, denn die sind schwarz, PECHSCHWARZ!“… danach setzte sie sich wieder auf ihren Hintern und nahm von all den Sachen, die vor ihr auf der Erde lagen, eine Kartoffel, eine Rübe und eine Zwiebel und gab sie Jolanta in die Schürze.

Als Jolanta dann vor ihrem Haus stand, sah sie die Birke, die ihre Zweige weit auf den Boden hängen lies. Kein Wind bewegte sie. Es war ihr als flüsterte die Birke: „Geh nur, geh hinein ins Haus!“

Und als sie die Stube betrat, saßen die Vögel missmutig herum. Die Amseln sagten gelangweilt: „Wir waren beim Händler, der hatte nur Milch, wir haben die Schnäbel voll gemacht, aber unterwegs waren wir durstig und haben sie getrunken.“ Der Habicht zeigte mit dem Flügel auf seinen Schnabel und murmelte finster: Mmmll htt mrrr dnn Nnnbl vrklllbt!! und die Elster sagte garnichts, denn sie war beleidigt. Ihr sonst so schönes, glänzendes Kleid war von oben bis unten mit Eischlack beschmuddelt und auf dem Kopf trug sie eine halbe Eierschale- wie einen Sturzhelm!Der Uhu sagte auch nichts, denn er schlief tief und fest,- kurzum: Die Vögel hatten versagt. Mattek der kleine hatte während Jolanta unterwegs gewesen war die Kordel von der Hose gelöst und tanzte albern und gefährlich mit Pattek dem noch kleineren um den Ofen.Jolanta pustete sich kurz an die Nase, sperrte die Fenster weit auf und scheuchte die Vögel mit dem Besen aus der Stube.

Dann fegte sie die Stube. Sie putze auch ihre Pantoffeln und band Mattek wieder an die Wiege von Pattek, den sie hineinlegte. Sie stellte den Wassertopf auf den Herd, gab das Gemüse hinein und dachte an die Worte der alten Frau und ihren Eimer mit Dung.Dann ging sie zum Waschbecken und wusch sich die schwarzen Augen, daß sie funkelten. Schön und groß und schwarz.

Pechschwarz.

 

Jolanta Sieranska & Julian Francis Bisesi, Berlin (DE), 2011